Gäste aus Griesheim und Darmstadt im polnischen Plock
Mit einem fünftägigen Besuch in der Woche nach Ostern wurden die Beziehungen zwischen den Schachspielern aus Südhessen und Plock weiter vertieft. Die Kontakte zwischen der Plocker Schachgesellschaft und ihren Partnern vom Schachverein Griesheim und Schachforum Darmstadt bestehen seit 1990. Seit dieser Zeit werden jährliche Besuche in der Osterzeit in Plock und zum Heinerfest in Südhessen organisiert. Das sportliche Programm bilden die Schnellschachturniere Tumska Wieza und Heinerfest-Schachpokal.
In diesem Jahr reisten 14 deutsche Gäste nach Polen. Im Rahmen eines Tagesausflugs besuchte man die polnische Hauptstadt Warschau. Während einer mehrstündigen Stadtführung besichtigten die Schachspieler die Altstadt und den Königsweg, einer der schönsten Boulevards der Metropole, und erhielten so Einblicke in die polnische Geschichte und Gegenwart.
Auch im Rathaus der Stadt Plock waren die südhessischen Besucher eingeladen. Der stellvertretende Stadtpräsident Piotr Kubera würdigte die langjährige Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und sicherte die weitere Unterstützung der Stadt Plock zu. Die Schachspieler gehörten zu den ersten Gruppen, die nach der Ost-West-Öffnung miteinander in Kontakt traten. Ihre über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren intensive und kontinuierliche Zusammenarbeit ist ein außergewöhnlich erfolgreiches Beispiel städtepartnerschaftlichen Engagements. Für die Gäste bedankte sich Holger Bergmann, einer der Mitbegründer der Partnerschaft der Vereine und aktuell 2. Vorsitzender des Schachvereins, für das Interesse der Stadt Plock an den gemeinsamen Kontakten und das interessante Programm der Gastgeber. Der zweite Tag in Plock klang mit einem Konzert des Plocker Symphonieorchesters in der Musikschule Plock aus.
Am Samstag hätte das Schachturnier Tumska Wieza starten sollen, doch das Flugzeugunglück von Smolensk, bei dem 96 Menschen, darunter der polnische Präsident Lech Kaczynski ums Leben kamen, veränderte alles. Das Unglück geschah etwa eine Stunde vor Turnierbeginn. Zwar versammelten sich Organisatoren und Spieler noch im Spiellokal, doch allen Beteiligten war klar, dass unter diesen Umständen das Turnier nicht würde stattfinden können. Ein offizieller Vertreter der Stadt Plock, die die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernommen hatte, nahm schließlich formell die Absage von Tumska Wieza 2010 vor. Die Wirkung dieses Unglücks, das Menschen über Stunden paralysierte und eine öffentliche Trauer und Anteilnahme hervorrief, die ihresgleichen sucht, erschließt sich nur aus seiner Dimension und dem historischen Bezug. Denn unter den Opfern befanden sich herausgehobene Repräsentanten aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Hinzu kommt die unmittelbare Verbindung zum geschichtlichen Ereignis von Katyn, dem Ort, an dem im 2. Weltkrieg mehr als 20.000 Polen, die vom sowjetischen Geheimdienst ermordert wurden, begraben wurden, und an dem am 70. Jahrestag eine Gedenkveranstaltung stattfinden sollte, zu der die polnische Delegation unterwegs war. Die südhessischen Besucher trugen dem Rechnung, während die Gastgeber sich darum bemühten, unter diesen Umständen ein gemeinsames alternatives Programm zu organisieren, was auch gelang.
Das gemeinsame Erleben dieser Tage und der behutsame Umgang mit Gefühlen und Stimmungen in dieser Ausnahmesituation war für diesen Aufenthalt in Plock kennzeichnend. Er zeigte auch, dass es zwischen vielen Beteiligten der Vereine in Plock, Darmstadt und Griesheim ein tiefes emotionales Verständnis gibt, das über eine formale Partnerschaft weit hinausreicht. Beim Abschied voneinander gab es den Ausblick auf die zum Heinerfest anstehende Reise, wenn 15 Gäste aus Plock unter hoffentlich glücklicheren Umständen ihre Partner in Darmstadt und Griesheim besuchen.
Holger Bergmann
